Donnerstag, 14. November 2013

Ich hole mir mein Leben zurück!!!!!!!!!!!!!!!


Eigentlich wollte ich zuerst etwas über das Endlosthema »Hormone« schreiben, aber dann wurde mir klar, um was es im Kern der Sache wirklich geht, was mich dazu drängt darüber zu schreiben, über etwas dass schon so lange an mir nagt.... eigentlich schon mein ganzes Leben lang: ICH WILL MEIN LEBEN ZURÜCK!!!


Ich glaube dass kaum jemand mehr über diese unglaubliche, unaufhaltbare Kraft der Hormone und deren Einfluss auf unsere Leben weiß, als wir transsexuellen Menschen.

Ich spreche nur für mich, wenn ich sage, ich wusste das etwas von klein an nicht stimmte, und umso mehr wusste ich das, während die Pubertät einsetzte.

Nach 2 Monaten Hormontherapie kann ich klar beschreiben, welch dramatische Veränderungen im Vergleich zu davor sich einstellten, seit ich damit begann.

Zum jetzigen Zeitpunkt sind die psychischen und emotionalen Veränderungen stärker spürbar als die körperlichen Veränderungen. Ich bin deutlich emotionaler - bin glücklicher wenn es mir gut geht und trauriger und niedergeschlagener wenn es mir schlecht geht, ich eine Depriphase habe oder unglücklich bin. Trotzdem möchte ich nicht auch nur auf einen einzigen Moment meines jetzigen Gefühlserlebens verzichten, egal ob es die Hochgefühle oder die traurigen Gefühle sind. Worte können einfach nicht fassen, wieviel Freude in mir aufsteigt, nur weil ich endlich das Leben erspüren und erfühlen kann, wie es eigentlich schon immer hätte sein sollen - aber das geschah in meiner männlichen Einzelzelle nicht.




Vor mir lag ein steiniger Weg bevor ich den Endokrinologen finden durfte, dem ich vertrauen kann.

Nachdem ich meine Überweisung hatte, ging ich zu der Endokrinologin, die auf der Empfehlungsliste ganz oben stand, angeblich besitzt sie den Ruf die Beste in ganz München zu sein. Nach unserem 1. Treffen ging ich die Treppe in dem Gebäude hinab zur Straße und meine weibliche Intuition (die seit Beginn meiner Hormontherapie täglich lauter und vernehmbarer wird - was ein Glück!) sagte ganz deutlich: du weißt, dass das keine gute Wahl war, ja? Finde jemand anderes. Dann kam die Vernunftsstimme zum Zug und meinte: komm schon, so wild wird es schon nicht sein, probier es einfach mal und sieh was kommt!

JEDE PERSON SOLLTE IMMER AUF DIE INNERE HERZENSSTIMME HÖREN!

Leider tat ich das nicht. Es stellte sich nach 10 Tagen ein Kreislaufkollaps ein, während ich mitten in der Nacht auf die Toilette musste. Sofort rief ich am nächsten Tag in der Endokrinologie an und man verwies mich auf die Telefonsprechstunde der Endokrinologin am darauf folgenden Morgen. Sie wollte sich tags später mit der Situation nicht befassen, weil sie sich von mir dazu hatte überreden lassen, eine Therapie zu verfolgen, hinter der sie nicht stehe - also sei das mein Problem. Weiter so - das ist wahre Patientenbetreuung - warum nur hörte ich nicht auf meine innere Stimme?????? Damit war es bei dieser Endokrinologin vorbei. Ich ging zu einer anderen Endokrinologin, und dort sagte mir mein Gefühl ebenfalls - nein - passt nicht für dich, geh zu jemand anderem. Nach weiteren 14 Tagen nochmals eine Kreislaufkollaps - diesmal abends, als meine Kinder alle noch auf waren. In den Armen und Beinen ein komisches Kribbeln, und lasst euch sagen, in dem Moment bekam ich wirklich Angst. Der Gynäkologe, der zufällig gerade ärztlichen Notdienst hatte, kam vorbei und meinte dazu: nun Hormone sind gewaltige Stoffe. Willkommen in der Welt der Frauen. Solche Dinge können passieren, wenn sich der Körper hormonell vollkommen neu einstellen muss.
Alles klar - auf mich selbst gestellt versuchte ich herauszufinden, was denn da eigentlich vor sich ging.
Ich hatte meine Hormontherapie ohne offizielle Erlaubnis begonnen. Ganz einfach, weil ich es einfach nicht mehr aushielt. Also hielt ich mich an die Informationen, die ich mir aus dem Web besorgen konnte. Als Antiandrogen setzte ich Spironolacton ein, was bei niedrigem Blutdruck auch kontraindiziert sein kann - nun, den habe ich. Die erste Endokrinologin befahl mir die Östrogendosis zu erhöhen. Seitdem ich damit begann fingen die Schwierigkeiten an. Also entschied ich mich dazu das Problem zweigleisig anzugehen - Spironolacton mit Androcur zu ersetzen und gleichzeitig die Östrogendosis zu reduzieren. Das hat die Welt für mich wieder in‘s Lot gebracht - witziger Weise ähnelte das wieder meiner ursprünglichen Selbstmedikation.
Schlussendlich fand ich vor 2 Wochen einen Endokrinologen und als ich bei ihm war, machte es ganz einfach KLICK!
Er hörte mir aufmerksam zu, respektierte meine Wünsche und Ansichten bezüglich Medizin und dem Leben an sich, lachte mich nicht aus, als ich ihn darum bat die Progesteronwerte im Hormonstatus ebenfalls zu erfassen, und er sieht sich mehr als Berater, anstatt jemand der mir sagt, was ich zu lassen und zu tun habe - er überlässt mir stets die letztendliche Entscheidung - das nenn ich einen Arzt!!!!
Eine Blutprobe wurde entnommen und vor 2 Tagen besprachen wir die Ergebnisse:
Die Hypophysenwerte waren viel zu niedrig, also riet er mir dazu, die Östrogendosis zu verringern. Meine Schilddrüsenwerte waren ebenfalls etwas zu niedrig, also empfahl er mit sehr niedrigen L-Tyroxin Gaben diesem Umstand abzuhelfen.
Abgesehen von meiner Selbstmedikation als ich mit Hormonen begann - geboren aus der Not, weil das Leben für mich ohne Hormone einfach nicht mehr zu ertragen war - bin ich der ehrlichen Überzeugung, dass die entscheidenden Schlüssel zu einer erfolgreichen Hormontherapie eine Überwachung des Hormonstatus und ein Arzt/ Ärztin, der/ die dein völliges Vertrauen genießt, sind - insbesondere in meinem fortgeschrittenen Alter. Jüngere Körper verkraften was immer auf sie zukommt womöglich ganz anders. Es hat geringes Brustwachstum eingesetzt und wann immer ich das dann im Spiegel sehe, kann ich nicht anders als anfangen zu lächeln und fühle sehr tiefes Glücklichsein. Darüber wundere ich mich doch etwas, war doch bisher mein Fokus weniger auf der weiblichen Brust, aber es wird für mich aktuell stetig wichtiger.

Als nächstes ging ich zum Erstgespräch zu einem GAO (geschlechtsangleichende Operation) Chirurgen, Dr. Schaff in München. Seine Kollegin Dr. Morath führte das Erstgespräch mit mir durch, aber ich wollte Dr. Schaff gerne auch noch persönlich kennenlernen. Er ist eine fantastische Person und eroberte mein Vertrauen im Moment der ersten Begegnung. Ich bekam ein ärztliches Attest und einen OP-Termin:
OKTOBER 2016!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Hilfe, Hilfe, Hilfeeeeeeeeeeeeeee
Ich kann niemals so lange warten!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Man sagte mir, dass es möglich sei auf eine Warteliste gesetzt zu werden, für den Fall dass eine Patientin ihre OP aus welchen Gründen auch immer absagen muss. Dann werden die Patientinnen aus der Warteliste kontaktiert. Für mich gibt es weltweit nur 3 Chirurgen denen ich mich und meinen Körper für die GAO anvertrauen würde: Dr. Schaff in München, Dr. Chettawut, Bangkok in Thailand und Dr. Suporn in Bangplasoi, Thailand. Also gibt es nur 2 Möglichkeiten - entweder gelingt es mir irgendwie das Geld für eine GAO in Thailand zusammen zu bekommen, damit ich meine GAO in Thailand früher durchführen lassen kann, oder ich komme über die Warteliste an die Reihe.

Da ich immer mehr zur Mitte meines weiblichen Selbst finde, verändert sich unser Familienleben ebenfalls stetig - man kann mehr Lachen in unserem Zuhause hören - und auch mehr Wutausbrüche ;-)! Das Leben ist glücklicher geworden, mehr lebenswert - insgesamt macht das Leben einfach mehr Spaß, hauptsächlich deswegen, weil ich meine alltäglichen Aufgaben erledigen kann, wie ich es schon immer hätte sollen - ich hätte dies vor 42 Jahren oder sogar noch früher lernen sollen.

Und endlich erkenne ich was ich möchte und was ich brauche:
ICH WILL MEIN LEBEN ZURÜCK - das Leben auf das ich meine ganze bisherige Lebenszeit verzichten musste, weil mein Geist und mein Körper Lichtjahre voneinander entfernt waren - und doch gezwungen sich ineinander zu verstricken.

Ich möchte Freude erleben, meinen Körper spüren, meine Gefühle ausleben, meine Sexualität genießen, meine Gedanken und mein Selbst erfahren, so wie es hätte sein sollen - endlich bin ich dabei mein weibliches Leben zu ergreifen - mein Leben als Frau, und ich werde keinen Millimeter hergeben, weil ich zum ersten Mal in meinem Leben weiß, dass ich auf der Straße des wahren Glücklichseins bin, und dafür bin ich so dankbar.

Ich hoffe inständig dass es diesen ganz gewissen »Jemand« irgendwo dort draußen gibt, der mich nicht trotzdem liebt so wie ich bin, sondern der mich liebt weil ich so bin wie ich bin, der mich auf seinen Armen, mit einer liebevollen Umarmung und einem Kuss am Strand entlang in den Sonnenuntergang trägt.

Wahre liebe ist wenn zwei Herzen sich zu einem vereinen.
Das wünsche ich dir auch.






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