Sonntag, 9. Juni 2013

Der Anfang

Also, mit 48 Jahren anfangen zu bloggen, wenn man wenig internteaffin ist, bedeutet Zeit und Energie zu investieren, die sich hoffentlich einmal lohnt... für wen auch immer.

Alleinerziehender Vater mit 4 Kindern im achten Jahr im Alter von 48 Jahren zu sein ist schon eine Herausforderung. Wenn dann dazu kommt, dass man schließlich erkennt, dass man eine Frau im falschen Körper ist, dann hat das schon etwas Surreales. Ich kann entweder bitter enttäuscht sein - meine Güte, warum erst jetzt? Wieviel Zeit hast du damit vergeudet ein Leben zu leben, welches dich beinahe unter die Erde brachte, nur weil du nicht auf dein Innerstes hören wolltest?
Oder ich kann versuchen dem Schöpfer dafür dankbar zu sein - welch ein Glück, dass ich trotz all den Umständen den Mut und die Kraft habe diesen Schritt zu gehen - so kann ich wenigstens die verbleibenden Jahre endlich so leben, wie es meinem Innersten entspricht. Die Welt um einen herum, hat dafür viele Reaktionen parat.

Man hört dann Dinge wie:

Du musst an die Kinder denken, das kannst du denen nicht zumuten...
Dein bisheriges Leben war ja schon verkorkst, aber das jetzt ...
Welchen Blödsinn möchtest du eigentlich in deinem Leben noch mitnehmen...
Na, dann lassen wir doch den Kontakt bis auf weiteres lieber mal ruhen...

Oder das:
Ja das macht Sinn. Jetzt weiß ich endlich woher deine ganze Unruhe und Rastlosigkeit kam...

Ich freue mich für dich und wünsche dir sehr, dass du nun endlich glücklich wirst und deine lange Suche nach dir selbst hier einen guten Anfang findet...

Was mir dabei in der Seele gut tut ist leicht zu erraten.
Ich war und bin über die Hilfe, die ich von den verschiedensten Personen bekomme, überrascht, erfreut und teilweise einfach überwältigt. Vor allem wie mich einige tief in der Seele mit mir verbundenen Frauen unterstützen ist einfach nur so wunderbar.

Wie man sehen kann, war mein äußeres Erscheinungsbild weit entfernt von weiblich und die Angleichung wird jeden Beteiligten auf eine harte Probe stellen, zuvorderst wohl mich selbst.
 Wenn ich in den Spiegel schaue dann kann ich kaum verstehen, was ich da sehe, weil es gar nicht das ist, wie ich mich fühle und sehe, und das macht mir sehr zu schaffen.


Und da ist das Monster, mit dem ich aktuell zu kämpfen habe: die UNGEDULD!!!!!!

Nach all der Zeit des Falschseins und des Verpassens des wirklichen Lebensweges will ich keine Minute mehr als nötig sein, wie ich aktuell bin - bedeutet für mich vor allem körperlich die Person sein, als die ich mich innerlich fühle. Die Gespräche mit Mitgliedern der Selbsthilfegruppe, und anderen Frauen, die den Weg beschritten, hatten ständig einen Refrain: gib dir Zeit, nimm dir Zeit, du wirst sie benötigen. Und je länger ich diesen Weg beschreite, desto mehr spüre ich, dass sie recht haben, doch das zähmt meine Ungeduld nur wenig.
Dann das Finden eines Psychotherapeuten, die bange Erwartung, was da auf mich zukommt. Als ich schließlich als Patient angenommen werde, und ich ein wirklich gutes Gefühl habe, bei dem für mich richtigen Therapeuten angekommen zu sein, wird mir etwas Druck von den Schultern genommen. Nun kann ich mich endlich mit einem Zeitraster für den vor mir liegenden Weg auseinandersetzen, und ich fühle, wie mir das mehr innere Ruhe gibt.

Ich entdecke dann auf einmal so viele Einzelheiten und Details, die mir auf einmal als das wichtigste der Welt vorkommen, mich aber in meinem bisherigen Leben gar nicht oder nur kaum tangierten. Allem voran mein Erscheinungsbild. In jeder Hinsicht sind für mich auf einmal Fingernägel, Hautbeschaffenheit, Zahnstellung, Nase und Körperformen lebenswichtig. Ich definiere mich selbst schon jetzt so viel mehr über mein Aussehen, und über wie ich aussehen möchte, dass ich mich frage, welche weiteren Veränderungen mich in naher Zukunft ergreifen und beschäftigen werden.
Doch NIEMALS, NIEMALS, NIEMALS möchte ich auch nur einen Millimeter von dem Boden zurückgeben, den ich begann zu beschreiten. Endlich bin ich wieder von Lebensmut, Lebensfreude und Lebenskraft erfüllt, die mit nichts aufzuwiegen sind und größer sind als alles was ich bislang erlebte.

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